1. Vom Bauernhaus zum modernen Wohnhaus
Der Wunsch der Bauherrenschaft war es, ein bestehendes, kleines Bauernhaus, das an der Hauptstraße in Jois liegt, zu einem komfortablen Wohnhaus umzubauen, erweitert durch eine großzügige Scheune. Mit der Aufgabe wurde das Architekturbüro cp architektur aus Wien betraut, das sich neben der klassischen Architektur auch mit Ausstellungsgestaltung und Interiordesign beschäftigt. „Wir suchen nach Lösungen, die den individuellen Wünschen der AuftraggeberInnen (Bauherrn) gerecht werden“, sagt Architekt Christian Prasser, cp architektur. Ziel des Büros ist es, für die unterschiedlichen inhaltlichen Aufgabenstellungen bestmögliche Antworten zu finden. „Unsere Arbeit beinhaltet diverse Kommunikationsebenen eines Projekts: Beginnend mit der konzeptionellen Ebene erarbeiten wir von der Architektur bis zum graphic design ein einheitliches Erscheinungsbild für unsere AuftraggeberInnen.“, so der Architekt.
2. Bauernhaus M1
Wie in burgenländischen Straßendörfern üblich, erstreckt sich das schmale Haus von der Hauptstraße weg längs nach hinten zum Garten, parallel dazu liegt ein etwa 4 m breiter Grünstreifen, der zum Nachbarn und zur Straße hin durch uneinsichtige Mauern begrenzt ist und nach hinten von einer Scheune abgeschlossen wird.
Das Wohnhaus wird damit von vorne Raum für Raum erschlossen, wobei Wohnzimmer und Küche in den hinteren Hausteil verlegt wurden, wo zwischen Scheune und Terrasse das Zentrum des sommerlichen Familienlebens liegt. Bedingt durch das ansteigende Grundstück bzw. unterschiedlicher Unterkellerungen verfügen die Räume im Erdgeschoss über verschieden hohe Bodenniveaus. Das ergibt beim Durchschreiten des Hauses ein Treppauf und Treppab – die Funktionen der unterschiedlichen Wohnräume werden intuitiv erfasst. Selbst der einstige Weinkeller wurde von der Küche aus mittels einer horizontalen flächenbündigen Türe im Boden in die Raumstruktur eingebunden.
Das einzig vertikale Element dieser horizontal ausgerichteten Baustruktur – der Kamin der ehemaligen Rauchkuchl – wurde erweitert, um darin eine Wendeltreppe zu errichten, die im Dachstuhl eine zweite Ebene mit Schlafzimmern und Bädern erschließt. Bewusst freigelassen wurde der Luftraum über der Küche und dem Wohnzimmer, die dadurch besonders großzügig wirken. Gleichzeitig ermöglicht der offene Dachstuhl eine Belüftung des Hauses an der höchsten Stelle und verhindert so eine Überhitzung an heißen Tagen.
In der Gestaltung der Oberflächen hat cp architektur gezielt jene alten Materialien erhalten, die noch gut konserviert waren, wie z. B. eine Tramdecke in der ehemaligen Küche, dem jetzigen Gästezimmer. Auch die alten Dachträger im Luftraum von Küche und Wohnzimmer wurden in die moderne Gestaltung integriert. Die neuen Bauelemente wie Fenster, Türen, Bodenbelege sowie Möbel wurden in Eichenholz gehalten, um das Zusammenspiel von Alt und Neu möglichst harmonisch zu gestalten.
Gegenüber dem Wohnhaus befindet sich im hinteren Teil des Gartens eine – auf den ersten Blick – traditionelle Scheune mit sägerauen Lärchenbrettern mit offener Fuge. Auf den zweiten Blick irritiert eine schwarze, aus der Scheune kragende Box das Auge des Betrachters und erst beim genaueren Hinschauen wird deutlich, dass die Scheune über die gesamte Front geöffnet werden kann. Der Innenraum wird zum Außenraum, gegenüber dem Wohnhaus öffnet sich die Scheune mit einem Gästebereich sowie einem Freizeitbereich mit einem innenliegenden Pool.
Gestaltungsidee für die Scheune war es, den Baukörper bis auf seine Steinmauern und den alten Dachstuhl komplett zu entkernen und einen modernen Holzquader mit schwebender Anmutung in den alten Dachstuhl zu platzieren. Der moderne, minimalistische Quader ist in Riegelbauweise ausgeführt. Außen ist er mit anthrazitfarbenen Dreischichtplatten in Lärche verkleidet, innen mit Kistensperrholz ausgebaut. Dabei wird das Gebälk des alten Dachstuhls bewusst den modernen Wandscheiben vorgesetzt, um so den Kontrast zwischen Neu und Alt zu betonen. Jeweils eine Wandscheibe ist in Glas ausgeführt, wodurch das Fenster wie ein Diorama den Blick in die alte Scheune bzw. über den Garten zurück zum Haupthaus freigibt.
Da Boden, Wand und Decke mit der Flader der Oregonkiefer (Kistensperrholz) gestaltet sind, erhalten die Innenräume eine japanische Anmutung, die durch die minimalistische Möblierung noch betont wird. 10 % des Kaltdachs der Scheune wurde mit Glasdachziegeln neu gedeckt, die untertags das Sonnenlicht punktuell einlassen, was zu interessanten Lichtspielen führt. Abends wird das Licht von der Wasserfläche in den Dachstuhl reflektiert und führt dort zu faszinierenden Lichteffekten.
Energietechnisch ist das Gebäudeensemble mit einer Luftwasserwärmepumpe ausgestattet. Dabei werden die Wohnräume mittels einer Fußbodenheizung beheizt. Zusätzlich wurde im großen Wohnraum eine Brennzelle mit einem Wirkungsgrad von 80 % (NH 7.0 KW) eingeplant.
3. Renovierung mit Auszeichnung
Insgesamt zeigt die Renovierung eine hohe räumliche Qualität unter Einbeziehung der Bestandsstruktur, wie etwa der Holzkonstruktionen und der jetzt als Treppenraum genutzten ehemaligen Rauchkuchl. Die reduzierte Materialität prägt das Raumgefüge, der Neubau bietet als „Haus-im-Haus-Konzept“ zusätzlichen Platz für Gäste in einem durch die Tageslichtführung besonderen Raum. Sowohl die Materialwahl als auch die handwerkliche Ausführung sind in allen Bereichen hervorhebenswert. Daher überrascht es nicht, dass das Projekt mit mehreren Preisen gewürdigt wurde:
- 2018 Architekturpreis des Landes Burgenland 2018, 1. Preis
- 2018 Das beste Haus. Architekturpreis 2018, Nominierung für Burgenland
- 2017 best architects 18 award, Auszeichnung Kategorie Wohnungsbau/Einfamilienhäuser
- 2016 Holzbaupreis Burgenland 2016, 1. Preis Kategorie Revitalisierung und Sanierung
Projekt: |
Bauherrenschaft: Privat |
Standort: Jois, Burgenland |
Planungsbeginn: 09/2013 |
Baubeginn: 03/2014 |
Fertigstellung: 06/2015 |
Nutzfläche: Haus: 187 m², Stadl: 144 m² |
Grundstück: 719 m² |
Architektur: Mag. arch. Christian Prasser, cp architektur |
Projektleitung: Bianca Medem, cp architektur |
Mitarbeit: Alexander Bader, cp architektur |
Fotografie: Philipp Kreidl |
Auftragnehmer: |
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Zimmerei: M&P Holzbau u. Handels GmbH Die Firma M&P Holzbau wurde damals mit der Ausführung und Umsetzung der Renovierung und Revitalisierung beauftragt. Dank der professionellen und kompetenten Arbeitsweise, konnte die Sanierung des Bauernhauses schnell und unkompliziert umgesetzt werden. Durch die Freude und das Feingefühl, mit der sie an das Projekt herangingen, bewies die Firma M&P Holzbau einmal mehr, dass ihnen die Kreativität mit Holz im Blut liegt. |
Pläne
Galerie
* Titelfoto: Bauernhaus M1. Quelle: Philipp Kreidl