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    Preisgekrönte Architektur in Bregenz: das vorarlberg museum

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    Bregenz ist unter anderem auch ein wichtiges Kulturzentrum und so überrascht es nicht, dass in der Landeshauptstadt Vorarlbergs mehrere moderne Kulturbauten mit nationalen und internationalen Architekturpreisen ausgezeichnet wurden. Unter diesen gebührt der erste Platz dem mit vier Preisen ausgezeichneten Zu- und Erweiterungsbau des vorarlberg museums.

    1. Preisgekrönte Architektur in Bregenz

    Vorarlberg kann mit beeindruckender, zeitgenössischer Architektur aufwarten. Viele öffentliche Bauten für Kultur, Freizeit und Tourismus in dem kleinen Bundesland wurden mit nationalen und internationalen Architekturpreisen ausgezeichnet: Das Montforthaus in Feldkirch, das Werkraumhaus in Andelsbuch oder die Sanierung der Propstei St. Gerold im Großen Walsertal - um nur einige zu nennen. In Bregenz wurde das Kunsthaus Bregenz (KUB) mit einem (Mies van der Rohe Award 1998), das Festspielhaus Bregenz mit zwei (International Architecture Award 2007, Vorarlberger Bauherrenpreis 2010) und das vorarlberg museum sogar mit vier Preisen (International Architecture Award 2014, Vorarlberger Bauherrenpreis 2015, Österreichischer Museumspreis 2016 und Best Architect’s Award 2014 in Gold) ausgezeichnet. Der 2007 beschlossene Neubau wurde am 21. Juni 2013 eröffnet.

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    Das vorarlberg museum steht am Kornmarktplatz zwischen Innenstadt und Bodensee. (Quelle: iStockphoto.com)

    2. Das vorarlberg museum

    Das vorarlberg museum in Bregenz ist Vorarlbergs kunst- und kulturgeschichtliches Landesmuseum. Gegründet wurde es 1857 (damals trug es den Namen Vorarlberger Landesmuseum, oder kurz VLM). 1905 bezog es einen neu errichteten Prunkbau am Kornmarktplatz zwischen Innenstadt und Bodensee, wo es auch heute noch seinen Sitz hat. In den 50er Jahren erfuhr das Gebäude einige große Umbauten, wurde danach aber architektonisch kaum mehr verändert. Das Entscheidungsjahr war 2007, als eine architektonische Neugestaltung des Museums beschlossen wurde. Den ausgelobten Architekturwettbewerb gewannen die Bregenzer Architekten Andreas Cukrowicz und Anton Nachbaur-Sturm.

    3. Aufstockung und Erweiterung des Museumsgebäudes

    Im Rahmen der Erneuerung und Erweiterung des Museums sollte der denkmalgeschützte Gebäudebestand der alten Bezirkshauptmannschaft in den Neubau integriert werden. Dazu wurde das bestehende Gebäude mit einer doppelgeschossigen Aufstockung und einer fünfgeschossigen, quaderförmigen Erweiterung versehen. So entstand aus Gebäudebestand, Aufstockung und Neubau ein neuer, kompakter Solitär, der mit der Baustruktur der Seestraße harmoniert.

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    Gebäudebestand, Aufstockung und Neubau bilden einen neuen, kompakten Solitär, der mit der Baustruktur der Seestraße harmoniert. (Quelle: iStockphoto.com)

    In der doppelgeschossigen Aufstockung ist die einzige Öffnung in der Fassade ein großes, fünfgeteiltes Panoramafenster, das den Blick auf den im Norden gelegenen Bodensee freigibt. Der Erweiterungsbau, der sich auf der gegenüberliegenden Seite an den Bestand anschließt, besitzt einen u-förmigen Grundriss, der leicht asymmetrisch ist, wodurch auf der Westseite des Gebäudeblocks ein Knick entsteht. So wird die Trennung zwischen Alt und Neu hervorgehoben.

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    Die einzige Öffnung in der Fassade der doppelgeschossigen Aufstockung über dem Altbau ist ein großes, fünfgeteiltes Panoramafenster, durch welches sich eine wunderschöne Aussicht auf den Bodensee bietet. (Quelle: 123rf.com)

    4. Der Solitär

    Alle Funktionsbereiche des Museums sind ringförmig um ein innen liegendes Atrium angeordnet. Die Gebäudeerschließung (Zugangswege wie Flure und Treppenhäuser) ist ebenfalls ringförmig angeordnet und verbindet alle Bereiche des Museums. Der von außen an seinem auskragenden Vordach erkennbare Haupteingang befindet sich im Neubauteil auf der Südseite des Museums. Die Erdgeschosszone des Neubaus mit Garderoben, Kassen, Foyer und Café ist offen gestaltet und ein großer Teil der Erdgeschossfassade besteht aus einer raumhohen Übereck-Verglasung. Im Blockinneren zwischen Altbau und Erweiterung liegt das 24 m hohe, überdeckte Atrium, das Großzügigkeit und Orientierung im Gebäudeinneren schafft. Außerdem kann der Lichthof als zusätzlicher Aktionsraum für Veranstaltungen und Rauminstallationen genutzt werden. Im Nordosten des Museumsgebäudes befindet sich die gemeinsame Anlieferungszone mit Kunsthaus und Theater.

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    Ein großer Teil der Erdgeschossfassade des Neubaus besteht aus einer raumhohen Übereck-Verglasung. (Quelle: 123rf.com)

    Das erste Obergeschoss beherbergt zwei Veranstaltungsräume, die flexibel als Ausstellungsfläche zugeschaltet werden können. Die ersten zwei Etagen des Altbaus nehmen Verwaltungsräume ein. In den obersten drei Geschossen befinden sich ausschließlich Ausstellungsräume mit maximaler Nutzungsflexibilität. Hofzuordnungen und Ausblicke generieren nutzungsneutral feine Raumdifferenzierungen.

    5. Innenraum

    Die Fußböden in den Innenräumen bestehen aus sägerauer Eiche und Bitumenterrazzo mit Steineinschlüssen des Bodenseeraums. Die Wände, die den überdachten Innenhof umschließen, bedeckt ein Dreilagenputz aus Lehm. Einer der Veranstaltungsräume im vierten Obergeschoss ist gänzlich mit massiver Räuchereiche verkleidet. In derselben Etage ist noch ein weiterer architektonischer Höhepunkt angesiedelt: Der Panoramasaal mit dem oben erwähnten fünfgeteilten Panoramafenster. Dieser vom Wiener Künstler Florian Pumhösl mit schwarzem Filz ausgekleidete Saal wirkt geradezu sakral und kann von den Besuchern zur Kontemplation oder zur Entspannung genutzt werden. Der Blick durch die 14 m breite Glasfront lässt den Bodensee selbst als Exponat erscheinen.

    6. Fassade

    6.1 Streumuster aus Betonblüten

    Der Solitär erscheint nicht nur aufgrund seiner Form, sondern auch dank seiner einheitlichen, champagnerkreideweißen Fassade als ein großes Ganzes. Sämtliche Gebäudeteile wurden mit der gleichen Farbgebung versehen, damit sich die neu hinzugefügten Gebäudeteile unauffällig in den Bestand einfügen. Allerdings wurden die unterschiedlichen Bauabschnitte durch differenzierte Fassadenstrukturen und Oberflächentexturen sichtbar gemacht. Auf der Seeseite ist die Fassade eher zurückhaltend gestaltet, ganz anders sieht es jedoch an der zur Innenstadt blickenden Neubaufassade aus. Dort wird die plastisch wirkende Fassade von 16.656 einzelnen Betonblüten geziert, die bis zu 45 mm aus der fugenlosen Sichtbetonfläche von rund 1.300 Quadratmetern herausragen. Sie erinnern ein bisschen an gotische Rosetten und verleihen der nahtlos gegossenen Gebäudehülle eine lebhaft dynamische Struktur.

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    Die Neubaufassade zieren 16.656 einzelne Betonblüten. (Quelle: iStockphoto.com)

    Mit der Erstellung des von ihnen vorgesehenen flächenfüllenden, ornamentalen Musters an der Fassade des Neubaus beauftragten die Architekten den Südtiroler Künstler Manfred Alois Mayr. Der Künstler wollte mit seinem Werk die Verschränkung von Vergangenheit und Gegenwart, Handwerk und Massenproduktion im Museum thematisieren. Als Inspiration dienten Ausstellungsstücke des alten Landesmuseums, vor allem altrömische Ton- und Glasgefäße. Diese sog. „Terra Sigillata“, die als erste Massenware angesehen werden kann, brachte Mayr auf die Idee, modere Massenware zu verwenden. Er entschied sich für die Böden handelsüblicher PET-Flaschen, also der seit den 1970er Jahren gebräuchlichen Kunststoffflaschen. Die Flaschenböden, die von unten gesehen Blumen ähneln, wurden als Matrizen für die Fassadenornamente verwendet.

    So wurden dreizehn verschiedene Flaschenbodenmotive zu einem flächenfüllenden ornamentalen Streumuster über die Fassadenteile des Neubaus verteilt. In ihrer Gesamtheit wirken die Ornamente wie ein großes Meer aus Betonblüten. Um die Betonblüten präzise an der Fassade zu positionieren, wurde in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Architekten und Mathematiker Urs Beat Roth ein Punktegitter entwickelt. Das Streumuster ist nämlich nur auf den ersten Blick chaotisch, in Wahrheit liegt ihm aber ein System mit Wiederholungen, ein regelmäßiges Muster aus Ellipsen, regulär affinen Fünfecken und Quadraten zugrunde.

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    Die in einem Streumuster angeordneten Betonblüten wurden bei der Fassadenherstellung mitbetoniert. (Quelle: 123rf.com)

    6.2 Herstellung der Fassade

    Die technische Fertigung der Fassade stellte eine besondere Herausforderung dar, weil die Fassade fugenlos gestaltet werden sollte. Deshalb mussten die Betonblüten bei der Fassadenherstellung mitbetoniert werden, anstatt sie nachträglich als Versatzstücke an die fertige Fassade anzubringen. So wurde die 17 cm starke Betonscheibe mit den ausgestülpten Blüten stehend vor Ort hergestellt. Um bei der Farbgebung des Gesamtkomplexes das perfekte Ergebnis erzielen zu können, wurden im Vorfeld mehrere Betonmischungen ausprobiert, von denen sich selbstverdichtender Beton mit einer extrem hohen Viskosität und einem maximierten Anteil an weißen Pigmenten am geeignetsten erwiesen hat. Der Plan für das Streumuster war von Mayr und Roth so angefertigt worden, dass pro Geschoss nur drei miteinander kombinierbare Hauptmatrizen und die für Ecken und Leibungen notwendige Zusatzmatrizen ausreichten, um die gesamte Fassade zu gestalten. Die Fassade entstand also in enger Zusammenarbeit zwischen Architekten und Künstler und ist ein Beispiel für die optimale Verbindung von Kunst mit einem Bauwerk.

     

    * Titelfoto: vorarlberg museum. Quelle: 123rf.com.

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    Autor: Daibau Magazin

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